Wir sind kein Kinderspielplatz - ein paar Worte zur Erziehung, Verantwortung und dem Unterschied  zwischen Boutique und Bällebad

Wir sind kein Kinderspielplatz - ein paar Worte zur Erziehung, Verantwortung und dem Unterschied zwischen Boutique und Bällebad

Es gibt Sätze, die sind so abgegriffen, dass man sie nur noch mit Samthandschuhen anfassen möchte.

"Kinder sollen sich doch frei entfalten dürfen."

Ein Evergreen unter den Rechtfertigungen, wenn man sich partout nicht um sein eigenes Kind kümmern möchte - und dafür lieber andere Menschen in Geiselhaft nimmt.

Willkommen in unserem Concept Store.

Willkommen im Epizentrum ästhetischer Ruhe - zumindest bis der nächste Latte-Macchiato-Mama-Moment die Tür öffnet.

Deshalb dieses Schild.

Gross. Klar. Ernst gemeint:

"Wir sind kein Kinderspielplatz."

Boutique, nicht Bewegungslandschaft.

Boutique, nicht Bällebad.

Unser Store ist ein Ort für Ästhetik, Inspiration, Stil - nicht für Bewegungstherapie von Kindern mit Zuckerschock.

Und doch betreten manche Eltern unseren Laden mit dem Habitus einer Entspannungsreise nach Bali - natürlich in Leggings, mit Stilltee in der Thermosflasche, Snacks zum Naschen, dass der Vormittag ohne Verhungern geschafft werden kann und gekochten Hühnereiern für zwischendurch. 

Und mit der absolut festen Überzeugung, dass die Welt sich bitte schön jetzt um sie zu drehen hat.

Das Kind - oder wahlweise die zwei bis vier davon - werden einfach in den Raum entlassen.

Da rennen sie dann los. Mit der Energie eines Duracell-Hasen auf Energy-Drink. Und ja: sie fassen alles an.

Alles.

"Sie sind halt neugierig..."

Ja, das sind sie. Kinder sind neugierig. Das ist auch gut so.

Aber: Du bist hier nicht im Streichelzoo. Du bist in einem Concept Store. Und hier steht nun mal nicht aus Langeweile ein zerbrechliches Keramik-Objekt auf dem Boden, sondern weil es Teil eines durchdachten Konzepts ist.

Wenn's dann scheppert - was regelmäßig passiert - folgt das grosse Drama. Aber nicht beim Kind.

Sondern bei der Mutter.

"Wie bitte?! Das soll ich jetzt zahlen?"

"Also wenn ihr das da hinstellt, müsst ihr doch damit rechnen..."

"Das ist ja eine total kinderunfreundliche Atmosphäre hier!"

Nein, Schatz. Das ist kein "Kinderhass". Das ist Stil.

Und dein Kind ist nicht der Nabel der Welt. Auch wenn du's gern so hättest.

Das Latte-Macchiato-Matcha-Mindset

Es ist ein Bild, das sich bei uns im Store immer wieder abspielt - fast wie ein Déja-vu in sanften Naturtönen:

Eine Mutter betritt den Laden, die Wasserflasche im Leinenbeutel, das Kind an der Hand heisst Lian, Lennart, Mavie, Noah oder Noelie - ganz offensichtlich frisch von Pinterest kuratiert.

Die Mutter bewegt sich mit einer Mischung aus Slow-Living und digitaler Reizüberflutung durch den Raum, das Kind längst auf Entdeckungstour.

Sie schaut, nippt, schweigt - während das Kind alles anfasst, durch offene Taschen wühlt, Kleidungsstücke vom Bügel zieht. Alles ganz selbstverständlich, denn: "Er/Sie ist halt so wissbegierig." Und: die Eltern sagen einfach - nichts. 

Versteh mich nicht falsch: Ich liebe wissbegierige Kinder.

Aber nicht in einem Raum, in dem jedes Objekt mit Intention platziert wurde - und ganz sicher nicht unbeaufsichtigt zwischen Glas, Keramik und Design.

Was hier fehlt, ist nicht Verständnis. Es ist Verantwortung.

Und die Latte-Macchiato-Aura macht das leider auch nicht wett.

Und bevor jetzt jemand sagt: "Aber das ist ja wie im Museum hier..."

Nein. Es ist kein Museum.

Hier wird nicht ausgestellt. Hier wird verkauft. Und kuratiert. Mit Liebe. Mit Anspruch. Mit Stil.

Aber es gilt dasselbe Prinzip wie im Museum:

Man schaut mit den Augen. Nicht mit den Händen.

Wir müssen das eigentlich nicht erklären - aber manche Kommentare zwingen uns dazu.

Denn sobald jemand das Wort "Museum" ins Spiel bringt, ist das in der Regel keine bewundernde Feststellung, sondern ein Versuch der überforderten Mutter, sich über die "negative" Atmosphäre zu erheben.

Nur zur Erinnerung:

Im Museum geht man respektvoll. Man spricht leise. Man fasst nichts an.

Und siehe da - es funktioniert seit Jahrhunderten. Auch ohne iPad, Toniebox und Erklärbär-Modus.

Ich will keine Kinder erziehen. Ich will, dass du es tust.

Ich bin nicht hier, um Grenzen zu setzen, weil du es nicht willst.

Ich bin nicht hier, um deinem Kind zu erklären, warum es die Vase nicht werfen darf. Warum es nicht ins Schaufenster fassen darf. Warum es hier weder essen noch trinken darf in meinem Laden.

Und ich bin vor allem nicht hier, um dir zu erklären, dass "intuitives Elternsein" nicht bedeutet, alle anderen für dich mitarbeiten zu lassen.

Wenn dein Kind spielt, rennt, schreit, zieht, zerrt - dann tust du etwas dagegen. Nicht ich.

Du greifst ein. Du übernimmst Verantwortung. Denn du bist die Mutter. Oder du gehst.

Ganz einfach.

Mein Laden, meine Regeln - und eben kein Bällebad oder ein Ort für Selbsterfahrungswerte.

Was genau an "Wir sind kein Kinderspielplatz" missverständlich ist, weiss ich nicht.

Vielleicht liegt es am zu bunten oder zu großen Schild. Vielleicht auch daran, dass manche Menschen bei Schriftzügen nicht lesen, sondern fühlen wollen.

Aber ich kann's dir versichern: Das ist keine Einladung zur Interpretation. Das ist eine klare Grenzziehung.

Und nein, du musst das nicht mögen. Du musst dich nur daran halten. Oder eben draussen bleiben.

Denn mein Store ist kein Ort für Diskussionen über kindliche Entfaltung.

Er ist ein Ort für kuratierte Kollektionen. Für Frauen, die wissen, was sie wollen - und was sie nicht wollen.

Und ehrlich gesagt: lautes Kindergetrampel zwischen Designstücken gehört eindeutig zu Letzterem.

Wenn du dich jetzt angesprochen fühlst...

Dann ist das wahrscheinlich kein Zufall.

Wenn du dich gerade aufregst - könnte es daran liegen, dass du dich ertappt fühlst.

Und wenn du jetzt denkst: "Was für eine arrogante Einstellung!" - dann liegst du damit völlig richtig.

Denn ja: Wir sind stolz darauf, eine klare Haltung zu haben. Ich habe in diesem Laden alles bezahlt und möchte, dass es sauber und ordentlich bleibt.

Wir brauchen keine Fünf-Sterne-Elternbewertungen.

Wir brauchen keine Kinderfreundlichkeits-Zertifikate.

Was wir brauchen, ist Respekt für das, was wir geschaffen haben.

Und wer dazu nicht bereit ist, darf gern woanders hingehen.

Es gibt ja genug Orte, an denen dein Kind alles darf.

Unser Laden gehört nicht dazu.

Zum Schluss ein gut gemeinter Ratschlag.

 

Wenn dein Kind sich austoben will: Spielplatz.

Wenn du shoppen willst: Onlineshop.

Wenn du dich kurz verlieren möchtest - in Mode, in Stil, in Dingen, die schoen sind - dann: gerne bei uns.

Aber bitte ohne das ganze Chaos im Schlepptau. Und ohne deine sinnbefreiten, argumentationslosen Diskussionen. Dein Kind hat sich nicht nur bei mir im Laden zu benehmen. Sondern ebenfalls in jedem Restaurant. In jedem Café. In jedem Hotel. Eben überall an den Plätzen, an denen man eben nicht zuhause ist. Dort, wo man anderen Menschen begegnet. 

Wie sich dein Kind in deinen eigenen vier Wänden verhält, ist mir so ziemlich egal. Richtig egal. Denn es ist deine Erziehung. Nicht meine.

Denn während du versuchst, dich selbst nicht zu verlieren, halten wir diesen Raum klar.

Für die, die wissen, dass Freiheit nicht bedeutet, alles zu dürfen. Sondern zu wissen, wann man sich zurücknimmt. Und vor allem BE-nimmt.

Und genau darum geht es hier: nicht um Kinder. Sondern um Haltung.

Und Haltung, liebe Matcha-Mama, gibt's nicht in der Thermosflasche.

Sondern zwischen den Zeilen - und den Regeln.

Mit erhobenem Kopf, geradem Rücken,

weiterhin völligem Unverständnis für Laissez-Faire Erziehung

und freundlichsten Grüßen

Marlis 

für Karins Schwester

Kommentare

  • Veröffentlicht von Chrisho am

    Klare Worte !!
    Meinen Respekt und Verständnis hast du !!

    Herzliche Grüße von einer deiner Aperolikerschwestern🍊🧡

  • Veröffentlicht von Alexandra am

    Also da kann ich Dir nur Recht geben. Antiautoritäre Erziehung und Helikopter Mamas…..
    Hilfeeeeeee – ich bin froh, das mein Sohn mittlerweile ein junger Mann ist mit einer völlig normalen Erziehung. So wie auch ich von meinen Eltern erzogen wurde!!
    Ich sende Dir liebe Grüße, Alexandra 🍹

  • Veröffentlicht von Kathi am

    Danke für diesen wunderbaren Artikel und dafür, dass du aussprichst was viele empfinden. Ich finde diese unerzogenen Kinder einfach nur schrecklich – aber noch schrecklicher sind die dazugehörigen Eltern.
    Nochmal danke – Du hast mir aus der Seele gesprochen.
    Herzliche Grüße 🧡
    Kathi

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