Wer über mich redet, hat immerhin das richtige Gesprächsthema gewählt

Willkommen in der Talkshow des kleinen Lebens.

Keine Kameras, kein Publikum – aber dafür umso mehr Beteiligung.

Sendetermin: Täglich.

Ort: Das Dorf.

Sendeformat: Halbwahrheiten, Dramatisierung und sorgfältig zurecht geschnipselte Realitäten.

Und ich?

Ich bin scheinbar Dauerprogramm.

„Wer über mich redet, hat immerhin das richtige Gesprächsthema gewählt.“

Ein Satz, der nicht arrogant ist – sondern einfach nur treffend.

Dorf, Klatsch & Kapitulation

Es gibt Orte, an denen lebt man nicht – man wird beobachtet.

Und zwar nicht mit Neugier, sondern mit einer Art klebrigem Argwohn.

Die Frau hat was mit dem Metzger, der Metzger war mal mit der Schwester vom Bürgermeister irgendwie irgendwas, deren Mann sitzt jetzt im Stadtrat und der Sohn ist sowieso nicht vom Ehemann, sondern vom Kellner aus der Nebensaison.

So klingt „Wissen“ im Dorf.

Wobei Wissen hier eher eine akustische Bauart von Fantasie ist.

Und wehe, du tanzt da nicht mit.

Wehe, du kommst nicht im winddichten Funktionsparka mit Kind, Hund und devoter Dankbarkeit zur Freitagsmesse der Mittelmäßigkeit.

Wehe, du hast einen eigenen Stil, eine Meinung oder – Gott bewahre – eine Haltung.

Dann bist du nicht Teil der Gemeinde.

Dann bist du das Gesprächsthema.

Statussymbol: Gesprächsstoff

Weißt du, was wirklich ein Kompliment ist?

Wenn Menschen, die dich nicht kennen, sich die Mühe machen, über dich zu sprechen.

Wenn du irgendwo einen Raum betrittst und jemand sagt:

„Ach, das ist doch die, von der ich dir erzählt hab…“

Dann weißt du: Du machst was richtig.

Denn die meisten Menschen reden nicht über Dinge, die sie verstehen.

Sie reden über das, was sie überfordert, triggert oder auf eine sehr stille Art an ihre eigenen Grenzen erinnert.

Und in Dörfern – kleinen wie gedanklichen – ist Individualität nichts Inspirierendes, sondern eine Provokation.

Die Exzellenz des „Ich sag ja nix, aber…“

Es gibt Sätze, an denen erkennt man das dörfliche Niveau sofort:

  •  „Ich will ja nix sagen, aber…“ (Spoiler: Du willst was sagen. Und zwar alles.)
  • „Ich hab’s ja gleich gesagt…“ (Nie belegt, aber immer mit Nachdruck vorgetragen.)
  • „So wie die rumläuft, ist das doch kein Wunder…“ (Was? Warum? Völlig egal.)

Der Dorfklatsch ist kein Gespräch. Es ist eine Choreografie aus Frust, Langeweile und subtiler Selbstaufwertung.

Und wenn du da drin nicht mittanzt, wirst du zum Publikumsliebling – ohne je auftreten zu wollen.

Ich bin lieber Thema als Teil des Problems

Weißt du, was mich beruhigt?

Dass ich nicht in diese Gespräche passe.

Weil ich nicht dazugehöre.

Weil ich nicht mitspiele.

Weil ich lieber unangepasst bin als angepasst, beliebig und verbittert.

Ich möchte nicht Teil eines Systems sein, das lieber über andere spricht, als über sich selbst nachzudenken.

Ich möchte nicht dazugehören zu denen, die sich gegenseitig klein halten, um sich selbst größer zu fühlen.

Ich möchte nicht jeden wissen lassen, wo ich war, wann ich was gemacht habe und wie ich meine Freizeit verbringe, nur um am Ende noch besser angegriffen werden zu können.

Und deshalb?

Bin ich lieber das Gesprächsthema.

Weil ich nicht in deren Realität passe – und das ist mein größter Luxus.

Die, die reden, haben am wenigsten zu sagen

Was ist das für ein Leben, in dem man mehr über andere weiß als über sich selbst?

Was ist das für ein Selbstwertgefühl, das wächst, indem es über andere stichelt?

Was ist das für ein Dorfgeist, der sich vor echten Fragen drückt und stattdessen in Spekulationen ersäuft?

Und was ist das für ein System, in dem die größte Sünde nicht Lügen, sondern Authentizität ist?

Ich erkläre mich nicht

Früher wollte ich mich verteidigen.

Wollte Dinge klarstellen.

Sagen: „So war das aber gar nicht.“ Ich erkläre mich nicht mehr. Keiner Lena, Maria oder Ingrid aus einem Küchenladen. 

Heute? Nein danke. Da bin ich einfach raus :)

Wer mit Halbwissen um sich schmeißt, will keine Aufklärung – der will Kontrolle

Und wer glaubt, über andere urteilen zu müssen, lebt im traurigen Glauben, dass man sich durch Reden über andere selbst definieren kann.

Ich? Ich definiere mich lieber durch das, was ich tue.

Und wenn das andere nervös macht – umso besser.

Fazit: Wer über mich redet, hat immerhin das richtige Gesprächsthema gewählt.

Weil ich was bewege. Weil ich anders bin. Weil ich nicht fluche, sondern formuliere.

Und weil ich keine Angst mehr habe, in kleinen Dörfern mit (m)einem großem Maul das zu tun, wozu anderen der Mut fehlt: Ein eigenes Leben zu führen – ohne Genehmigung vom Flurfunk.

Also redet ruhig. Ich hör’s eh nicht.

Ich hab Stil im Ohr. Und schöne Gedanken im Kopf.

Mic drop.

Ciao.

Marlis für Karins Schwester

 


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