Was ist schlimmer als Crocs mit Socken? – Die Antwort könnte dich enttäuschen
Es gibt Dinge im Leben, die sind schlicht unentschuldbar. Crocs mit Socken zum Beispiel. Und nein – da gibt es keine Grauzonen, keine ironischen Ausnahmen, keine „Aber sie sind so bequem“-Verteidigungen. Wer in Crocs mit Socken vor die Tür tritt, hat sich nicht nur modisch aufgegeben, sondern auch eine gewisse Form von ästhetischer Selbstachtung im Altkleidercontainer entsorgt.
Und trotzdem: Crocs mit Socken sind nicht das Schlimmste. Nein – es kommt dicker. Tiefer. Abgründiger. Und zwar in Form eines gesellschaftlichen Phänomens, das wir seit Jahren beobachten, aber aus Scham nie laut ansprechen.
Die völlige Kapitulation vor Stil.
Nicht nur modisch, sondern mental.
Denn was sich in deutschen Städten, Supermärkten, Flughäfen, Arztpraxen und leider auch zunehmend in Concept Stores abspielt, ist eine Art kultureller Selbstaufgabe. Es ist das große „Ist doch eh egal“-Gefühl in Fleecejacke und Thermoleggings. Der Triumph des Funktionalen über das Sinnliche. Und das alles unter dem Deckmantel von Bequemlichkeit, Praktikabilität und – mein Lieblingswort – „Authentizität“.
Authentisch also. Weil es halt so ist, wie es ist.
Ungewaschene Haare? Authentisch.
Jogginghose in der Innenstadt? Authentisch.
Fünfzehn Jahre alte Trekking-Sandalen mit Klettverschluss? Du ahnst es: authentisch.
Nein. Es ist nicht authentisch. Es ist vernachlässigt. Es ist ein resigniertes Schulterzucken gegen alles, was einst mal Stolz war – auf Auftreten, auf Erscheinung, auf Wirkung.
Und nein, das hat nichts mit Geld zu tun. Es geht nicht um Designerlabels oder High Fashion.
Es geht um Haltung. Um Geschmack. Und um das kleine bisschen Mühe, das man aufbringt, wenn man sich selbst ernst nimmt.
Denn ganz ehrlich: Wer jeden Tag in praktischen Funktionshosen rumläuft, weil sie so viele Taschen haben, in denen man „alles unterbringen kann“, führt entweder ein Leben als mobile Lagerhalle – oder hat sich schlicht aufgegeben.
Die Wahrheit ist: Die modische Verwahrlosung ist nicht aus Zufall entstanden.
Sie ist das Ergebnis einer Gesellschaft, die sich darauf geeinigt hat, dass Schönheit verdächtig ist.
Dass Mühe lächerlich ist. Und dass jede Form von Ästhetik sofort als oberflächlich abgewertet wird.
Wir leben in einer Zeit, in der man sich dafür rechtfertigen muss, wenn man sich schick macht. „Oh, du hast dich aber rausgeputzt!“ – als wär's ein Vorwurf.
In Wahrheit bedeutet das: Du hast heute nicht mit dem Strom geschwommen. Du hast heute nicht nachlässig ausgesehen. Du hast dich erdreistet, deine Erscheinung zu zelebrieren. Und das ist in einer Gesellschaft der bequemen Selbstverleugnung natürlich ein Affront.
Was ist also schlimmer als Crocs mit Socken? Die komplette Akzeptanz des Durchschnitts.
Dieses milchig-graue Mittelmaß aus beige-farbener Konformität, gepaart mit woken Korrektheitsphrasen und dem tiefsitzenden Wunsch, bloß nicht aufzufallen.
Aber Aufrichtigkeit beginnt mit Abgrenzung. Und Individualität zeigt sich nun mal zuerst im Äußeren – bevor sie sich im Inneren manifestiert.
Du willst wissen, was Stil ist? Stil ist nicht das Preisschild an deiner Bluse. Stil ist der Mut, nicht auszusehen wie alle anderen im Wartezimmer.
Stil ist die Entscheidung, am Flughafen keinen Nackenhörnchen-Zombie-Look zu tragen, sondern einen Look, bei dem du notfalls gleich nach Paris weiterfliegen könntest – auch wenn du nur bis Berlin Tegel musst.
Stil ist, wenn du sagst: Ich bin nicht hier, um bequem zu sein. Ich bin hier, um präsent zu sein.
Und ganz ehrlich: Wer sich morgens beim Blick in den Spiegel denkt „Hauptsache warm“ oder „Hauptsache praktisch“, hat das Prinzip Leben nicht ganz verstanden.
Denn das Leben ist kein Survival-Training. Es ist ein Auftritt. Jeden. Einzelnen. Tag.
Natürlich darf man sich wohlfühlen. Aber bitte nicht auf Kosten der Ästhetik. Denn der Mensch ist ein visuelles Wesen – und nichts, aber auch gar nichts, spricht dafür, dass man sich mit 47 plötzlich kleidet wie mit 84. Außer man hat innerlich längst abgeschlossen.
Und ja – ich weiß, was jetzt kommt: „Aber früher war ich auch mal eitel…“ Aha. Früher. Und wann genau hast du aufgehört, dich selbst als Projekt zu begreifen? Als Statement? Als Schöpfung?
Wir brauchen mehr Eitelkeit. Mehr Mut zur Inszenierung. Mehr Haltung, weniger Halbschuhe.
Denn Menschen, die sich bewusst anziehen, gehen bewusster durchs Leben. Sie achten mehr auf Sprache. Auf Räume. Auf andere. Sie machen die Welt nicht nur schöner – sie nehmen sie auch ernster.
Darum ist es eben nicht egal, wie du rumläufst.
Dein Outfit ist kein Versehen. Es ist ein Argument.
Und wenn das Argument Crocs mit Socken ist, dann ist deine Meinung zum Rest der Welt leider auch redundant.
Also zieh dich an. Für dich. Für deinen Geist.
Für die Idee, dass das Leben mehr ist als praktisch, winddicht und atmungsaktiv.
Denn nichts ist atmungsaktiver als Würde.
Hochachtungsvoll,
Marlis für Karins Schwester
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