Nein ist ein ganzer Satz

Es gibt Worte, die wirken wie ein Statement.

"Exklusiv."

"Ausverkauft."

Oder: "Nein."

Kein Komma. Kein "weil". Kein Erklär-Bär mit Schuldgefühl.

Ein einfaches, glasklares Nein - wie ein hochglanzpolierter Spiegel, in dem sich all jene erkennen dürfen, die sonst von "Kundenservice" sprechen, wenn sie eigentlich "Kadaver-Gehorsam" meinen.

Denn nein, meine Lieben - Service heißt nicht Selbstaufgabe.

Und Erreichbarkeit ist kein Menschenrecht.

Grenzen sind kein Problem - für Leute, die keins haben

Die meisten Menschen haben ein absurdes Verhältnis zu Ablehnung.

Sie erwarten sie nicht. Und wenn sie doch kommt, wittern sie sofort Drama.

Als hätte man ihnen ihr Grundrecht auf Bestätigung verweigert.

"Wie, du hast keine Zeit?"

"Wie, du verkaufst das nicht günstiger?"

"Wie, du antwortest nicht sofort auf meine DM am Samstag Abend um 23:41 Uhr?"

Ja genau, Gisela. Wie gesagt: Nein.

Nein ist ein ganzer Satz

Man hat sich daran gewöhnt, dass alles verfügbar ist.

Produkte. Menschen. Aufmerksamkeit.

Ein Klick - und jemand liefert.

Ein Like - und jemand funktioniert.

Eine Nachfrage - und jemand springt.

Aber Überraschung: Ich bin kein Onlineformular.

Und mein Laden kein Wunschkonzert.

Willkommen in der Realität - wo nicht alles dafür gemacht ist, dich zu bedienen

Einzelhandel? Oder Dressur?

Besonders im stationären Handel hat sich eine ganz eigene Art der Anspruchshaltung etabliert:

Kund:innen, die mit dem Selbstverständnis eines Feudalherren den Laden betreten,

aber am liebsten 30 Minuten Beratung für ein 7-Euro-Produkt beanspruchen.

"Ich wollte nur mal schauen."

"Ich hätte noch eine Frage zu dem Produkt, das ich online bei jemand anderem gekauft hab."

"Können Sie das vielleicht zurücklegen - bis nächste Woche?"

Klar, und vielleicht trag ich's dir auch nach Hause und les´dir abends noch was vor.

Newsflash:

Dieser Store ist keine Kindertagesstätte, kein Streichelzoo und keine Beratungsstelle für Konsumverweigerer.

Er ist ein Raum für Menschen, die wissen, was sie wollen - und es sich auch leisten können.

Noch schöner: die Kategorie "freundlich, aber fordernd"

Menschen, die mit einem süßen Lächeln Rabatt fordern.

Mit einer netten Stimme Sonderwünsche einfordern.

Und ganz enttäuscht reagieren, wenn man sie auf das Konzept von Wert und Würde hinweist.

Tipp: Wer sich von einem "Nein" persönlich beleidigt fühlt, war vermutlich nie wirklich willkommen.

Weder als Kunde. Noch als Mensch.

Tourismus? Oder Toleranz für Trittbrettfahrer?

Auch im Tourismus ist das Nein zur Kunstform geworden.

Denn was passiert, wenn man jedem alles ermöglicht?

Dann stehen sie da - in Adiletten auf Alpenwiesen, mit Wurstbrot in der Hand und Campingkocher am Denkmal.

Der Parkplatz wird zur Toilette, die Wanderroute zum Trampelpfad, das Wirtshaus zur Frittenstation mit Bildtafeln.

Und wehe, man sagt:

"Hier ist kein Platz mehr."

"Das kostet Eintritt."

"Camping ist hier verboten."

Dann kommt das große: "Unverschämt!"

Nein, meine Liebe. Nicht unverschämt. Nur ungewohnt.

Denn Grenzen kennen nur die, die sich trauen, welche zu setzen.

Der Rest planiert alles mit dem Bulldozer der Anspruchsmentalität.

Der Satz "Wir sind Touristen!" ist inzwischen eine Legitimation für alles:

Wildpinkeln, Billigparken, "nur mal gucken" in jedem Store.

Aber wer nicht bereit ist, einen Ort zu respektieren, hat kein Recht, ihn zu erleben.

Social Media: Die Bühne der Dauerbeleidigten

Online ist es nicht anders.

Der Satz "Ich fühle mich getriggert" ersetzt inzwischen jedes Argument.

Und wer öffentlich Nein sagt, gilt als schwierig.

Unkooperativ. Nicht mehr zeitgemäß.

Oder - mein Favorit - "elitär".

Yes. Elitär. Weil ich nicht jedem folge.

Nicht jeden Like zurückgebe. 

Und nicht jede wildgewordene DM mit "Darf ich dir mal was sagen..." beantworte.

Nein. Darfst du nicht.

Denn auch mein digitales Leben hat eine Tür.

Und Überraschung: Du stehst draußen.

Community vs. Konsumverhältnis

Wer ein Unternehmen mit Haltung führt, kennt das Spiel:

"Ich dachte, du unterstützt Frauen."

"Ich dachte, du bist Body-Positive."

"Ich dachte, du bist für mehr Miteinander."

Bin ich.

Aber nicht auf Kommando.

Nicht, wenn es sich als Druckmittel gegen mein Nein tarnt.

Und ganz sicher nicht, wenn es als moralische Erpressung daherkommt.

Ich unterstütze Haltung. Nicht Erpressbarkeit.

Der Mythos vom "Nein, aber höflich"

Man erwartet heute, dass jedes "Nein" weichgespült daher kommt. 

Mit einem "leider", "eigentlich gern", "im Moment schwierig" oder einem "vielleicht irgendwann" - alles nur, um die Gefühle von Menschen zu schonen, die sich an nichts beteiligt haben, aber überall mitreden wollen.

Aber: Ein elegantes Leben braucht keine Rechtfertigung.

Sondern Klarheit.

"Nein."

Kein Zubehör. Kein Topping. Kein Drama.

Ein Wort - wie eine Designerjacke: schlicht, kostbar, nicht verhandelbar.

Ein Nein sagt mehr über dich - als jedes Ja.

Denn es zeigt, dass du dich kennst.

Deine Grenzen. Deine Energie. Deinen Wert.

Es zeigt, dass du nicht darauf wartest, wem du gefallen darfst - sondern selbst auswählst, wem du dich überhaupt zur Verfügung stellst.

In einer Welt, die pausenlos fordert, ist ein Nein nicht unhöflich

Es ist radikale Selbstachtung.

Und ganz nebenbei:

Wer ein Nein nicht aushält, ist auch kein Mensch, mit dem sich ein Ja lohnt.

Schlusswort: Nein. Einfach Nein.

Dieser Text ist eine Hommage an alle, die sich trauen, nicht mehr zu liefern.

Nicht mehr zu gefallen. Nicht mehr zu spielen.

An alle, die lieber Grenzen setzen, als sich selbst zu verlieren.

Du musst dich nicht rechtfertigen.

Nicht im Store.

Nicht im Gespräch.

Nicht im Netz.

Nicht im Leben.

Denn am Ende bleibt dieser eine Satz - klar, ungebogen, wunderbar unpopulär:

Nein.

Und wenn das jemandem nicht reicht,

dann hat er dein Ja sowieso nie verdient.

Hochachtungsvoll,

Marlis für Karins Schwester


1 Kommentar


  • Nic wohnt In DD

    So wahr! Du sprichst mir aus der Seele! Dieses ständige Erklären Müssen ist ermüdend. Ein Nein bleibt ein Nein! Kein Rechtfertigen, kein Drumherum! ✨Mal wieder ON point.👌


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