Die Servicewüste Gast. Warum die Kundin zur Belastung wird.
Deutschland hat ein Problem mit Service, das ist bekannt. Aber das größere Problem liegt nicht hinter der Theke. Es steht davor. Mit genervtem Blick, forderndem Tonfall und einer Haltung, als hätte man persönlich Anspruch auf Bedienung, Bewunderung und bedingungslosen Rabatt: die neue Generation Kundin.
Früher galt: Der Kunde ist König.
Heute scheint: Die Kundin ist Kaiserin mit Allüren, Erwartungen und einem Selbstverständnis, welches jeden Dialog zur Zumutung macht.
Sie kommt rein, schaut sich um, sagt kein Wort. Sobald man freundlich ,Guten Tag’ sagt, kommt ein: Ich will nur schauen.
Aber wehe, man schaut nicht. Dann heißt es: Da war niemand da.
Willkommen im neuen Zeitalter der paradoxen Erwartung
Die Kundin will alles. Sofort. Kostenlos. Und bitte in exakt dem Tonfall, den sie als angenehm empfindet.
Freundlichkeit ist Pflicht.
Servilität wird erwartet.
Aber wehe, man wagt es, eine klare Haltung zu zeigen dann ist man arrogant.
Die neue Kundin ist nicht mehr interessiert. Sie ist misstrauisch. Sie testet. Sie taxiert. Und sie lässt sich nichts mehr zeigen außer den Preis.
Oft genug kommt sie mit dem Handy in der Hand, zeigt ein Bild von Pinterest und sagt: ‚Haben Sie das da‘?
Ohne Kontext, ohne Größe, ohne Idee, wie ein Concept Store funktioniert.
Beratung wird zur Quizshow mit unsichtbaren Regeln.
Sie bestellt online, vergleicht Preise in Echtzeit, fragt nach Rabatten, erwartet umsonst Geschenkverpackung und jammert, dass Porto extra kostet. Wenn man sich dann Mühe gibt, schreibt sie eine Bewertung:
‚War ganz nett, aber mir fehlte das gewisse Etwas‘. Das gewisse Etwas? Es nennt sich Haltung.
Doch genau da liegt das Problem: Wer Haltung zeigt, polarisiert. Wer nicht jedem Wunsch nachgibt, gilt als schwierig. Wer nicht lächelt wie eine Zahnpasta-Werbung, ist unhöflich. Authentizität? Wird gerne gefordert, aber ungern ertragen.
Es ist ein krankhaftes Missverständnis entstanden:
Dass Service bedeutet, sich selbst aufzugeben.
Dass Beratung heißt, sich unterzuordnen.
Dass Verkauf heißt, zu allem Ja zu sagen.
Dabei war es nie die Aufgabe von Geschäften, Bedürfnisse zu erfüllen, die man nicht aussprechen will.
Es ist auch nicht die Aufgabe einer Boutique, jede Unsicherheit zu kompensieren oder jede emotionale Dysbalance auszuhalten. Dafür gibt es andere Berufsgruppen.
Doch die Erwartung ist da: Dass man psychologisch navigiert, empathisch reagiert, pädagogisch begleitet und dabei bitte niemals aneckt.
Die Verkäuferin als Therapeutin, Orakel und Dankbarkeitsgenerator.
Besonders pikant: Wer sich beschwert, tut das oft nicht, weil etwas schlecht war sondern weil nicht alles nach Wunsch lief. Man hat sich nicht gesehen gefühlt, nicht genug umtanzt, nicht bestätigt.
Der Einkauf wird zum Ego-Trip mit Bewertungspflicht
Gleichzeitig will man individuell behandelt werden aber bitte nicht angesprochen.
Man will beraten werden aber nur, wenn es exakt zur eigenen Meinung passt.
Man will Persönlichkeit im Laden aber nur, wenn sie sich zurücknimmt.
Was das für Teams im Einzelhandel bedeutet? Dauerstress.
Emotionale Erschöpfung.
Und ein völlig verzerrtes Bild vom Kundenkontakt.
Freundlichkeit wird nicht mehr geschätzt, sie wird vorausgesetzt.
Und wehe, sie fehlt.
Karins Schwester ist kein Streichelzoo.
Wir sind kein Wunschkonzert, kein Mitmachladen, kein therapeutischer Beziehungsersatz. Wir sind ein kuratierter Concept Store.
Mit Haltung.
Mit Anspruch.
Und ja mit einer eigenen Meinung.
Wir verkaufen keine Produkte. Wir verkaufen Ideen. Inspiration. Stil. Und das funktioniert nur im Dialog. Nur, wenn man uns zuhört. Nur, wenn man uns lässt.
Natürlich begegnen uns auch wunderbare Kundinnen. Tagtäglich. Die zuhören, die neugierig sind, die Stil lieben und sich öffnen für neue Perspektiven.
Sie sind das Herz unseres Ladens. Sie sind meine Menschen die ich gerne um mich habe. Meine lieben Seelenmenschen, die schätzen was wir machen und sehen was wir MITmachen. Und sie wissen: Guter Service ist keine Einbahnstraße.
Doch leider wird der Ton rauer.
Die Schwelle zur Beschwerde sinkt.
Die Bereitschaft, sich einzulassen, verschwindet. Es regiert die Anspruchshaltung oft ohne Gegenleistung. Schnell noch eine 1-Sterne-Bewertung: Inhaberin im Laden arrogant, hat kein Bock auf Kunden. Bewertung Ende.
Ja, sehr wahrscheinlich hatte ich keinen Bock genau auf Dich. Auf deine Art und Weise wie du reinkommst, schweigend, leicht blasiert. Im Grunde eher unsicher und überfordert von Bunt, Glam und Licht. Wahrscheinlich auch von mir, die optisch perfekt in den Laden passt, nur eben nicht zu deiner Stimmung: mies, ungesehen und arrogant.
Und das sollte man sich trauen zu sagen. Nicht aus Trotz, sondern aus Würde.
Denn auch Dienstleistung verdient Respekt. Auch Verkäuferinnen haben Grenzen. Und auch ein Laden hat das Recht, Nein zu sagen.
Der Mythos vom Kunde ist König gehört ins Märchenbuch.
Heute geht es um Begegnung auf Augenhöhe.
Um Austausch, nicht um Unterwerfung.
Um Stil, nicht um Service-Show.
Karins Schwester sagt: Die Kundin ist nicht das Problem. Aber ihr Anspruch ist es.
Nicht weil er hoch ist sondern weil er beliebig geworden ist. Wer alles will, bekommt am Ende nichts.
Und wer Respekt nicht geben kann, hat keinen verdient.
Wir lieben unsere Community, unsere Stammkunden in der realen und in unserer digitalen Welt. Aber wir lieben sie nicht, weil sie konsumiert.
Sondern weil sie versteht. Weil sie Teil von etwas Größerem ist, von einer Haltung, einer Vision, einem Stil.
Wer das nicht fühlt, muss nicht bleiben. Wir zwingen niemanden zum Glück.
Service hat Grenzen. Und Dienstleistung ist keine Dienerschaft.
Hochachtungsvoll,
Marlis für Karins Schwester
ON POINT !!! Wie immer :) Feier dich dafür 😎
Da sprichst du wahre Worte
WELTKLASSE!!!!😘
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