Berchtesgaden, du bist … naja. Du halt.

Eine sehr trockene, sehr liebevolle und sehr witzige Hommage an das tief verwurzelte „Eignaht“-Sein. An mein Berchtesgaden.

Berchtesgaden ist kein Ort, Berchtesgaden ist ein Zustand.

Genauer gesagt: ein eingenähter. Also „eignaht“.

Wer nicht weiß, was das bedeutet, hat entweder noch nie versucht, im Ort ein neues Unternehmen zu eröffnen – oder hatte Glück.

Denn „eignaht“ ist kein Schimpfwort.

Es ist ein Konzept.

Ein Lebensstil.

Eine Art, mit der Welt umzugehen, indem man sie einfach ein klein bisschen ignoriert.

Man stellt keine Fragen, man stellt fest.

Man sagt nicht: „Interessant, erzähl mal.“ Man sagt: „Des brauch ma ned.“

Und das gilt für alles, was nicht zwischen Leberkas und Landwirtschaftszuschuss fällt.

 

Digitalisierung? Gefährlich.

Glitzer? Unseriös.

Selbstständige Frauen mit Meinung? Ja Wahnsinn, wo samma denn!?

 

Man braucht hier nichts Neues, weil das Alte ja funktioniert.

Also meistens.

Also gut. Also… man hat sich halt dran gewöhnt.

 

Berchtesgaden hat Prinzipien.

Nicht viele, aber die sind aus Granit.

Zum Beispiel:

– Wenn’s anders ist, ist’s falsch.

– Wenn’s schneller ist, ist’s verdächtig.

– Und wenn’s in Pink daherkommt, ist’s vermutlich vom Teufel.

Der Berchtesgadener ist stolz auf seine Unverrückbarkeit.

Er trägt sie wie einen Trachtenjanker: schwer, warm und ein bisschen kratzig – aber er würde nie etwas anderes anziehen.

Selbst wenn er schwitzt.

Und das muss man ihm lassen:

Er meint es nicht böse.

Er meint es ehrlich.

Vielleicht zu ehrlich. Aber ehrlich halt. Verdammt ehrlich. 

Wenn man hier fragt: „Warum?“ bekommt man keine Antwort – sondern ein Stirnrunzeln, das sagt: „Weil’s halt so is“.

Die große Kunst des Berchtesgadener Lebens ist, in sich selbst genug zu finden.

Und allen anderen zu signalisieren:

„Du brauchst hier gar nicht erst was zu finden.“

 

Integration?

Ein langes Wort. Zu lang. Vier Silben, und alle machen Bauchweh.

 

Man ist nicht unfreundlich.

Man ist sparsam. Auch mit Interesse.

 

Man lässt die Menschen leben –

solange sie sich benehmen wie Einheimische.

Also: möglichst unauffällig, praktisch, neutral.

Und besser nicht in der Nähe vom Trachtenverein parken.

 

Wer was Neues macht, bekommt kein Feedback.

Man bekommt… Luft.

Und wer das überlebt, wird vielleicht irgendwann zur Randnotiz in einem Gespräch auf dem Friedhof: „Des is´ die, die is´ net von do – aber sie is´ no do.“

Und das ist das Höchste der Gefühle.

Es ist, als würde man einem Safe beim Misstrauen zuschauen.

Alles dauert.

Alles ist abgeschlossen.

Alles liegt unter 6 cm Heimatbeton.

Aber hey:

Der Beton ist schön.

Das Panorama ist perfekt.

Die Herzen, wenn sie für dich schlagen, schlagen fest. Verdammt fest.

Und das WLAN ist eh schlecht – also kann man auch gleich so bleiben, wie man ist.

 

Berchtesgaden ist nicht offen. Aber verdammt ehrlich.

Es will gar nicht modern sein. Es will seine Ruhe.

Es ist der Ort gewordene Satz: „Früher war’s besser.“

Und falls nicht: „Dann halt angenehmer.“

 

Und das ist okay.

Es muss nicht jeder Ort ein Hotspot werden.

Manche sind eben Wärmflaschen. Für den Geist. Aus Hirschleder.

 

Also, Berchtesgaden:

Bleib, wie du bist.

Lass dich nicht beirren. Zieh deinen Janker durch.

 

Aber wenn mich doch mal einer hier fragt: „Woher kommst du denn eigentlich?“

Dann halte ich inne, überlege kurz. Und schaue auf den Watzmann.

Spüre wie mein Herz schlägt. Für hier. Für Berchtesgaden.

Und sage ganz bedacht:

„Von da, wo’s anders is´.“

 

In Liebe,

Deine Marlis


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